Aktuelles - Die Farben der Vergangenheit – Anstrich der sowjetischen Waffen 1945?

Ein Schlachtengemälde, das ein Aufeinendertreffen zweier Armeen in den Napoleonischen Kriegen zeigt

Bild 1: Bunte Uniformen, linienförmige Aufstellung

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Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts standen sich Soldaten in geschlossenen Linien auf den europäischen Schlachtfeldern gegenüber. Die Industrialisierung brachte jedoch immer wirkungsvollere Waffen hervor. Feuerkraft und Schussreichweite nahmen derart zu, dass geschlossene Formationen im Gefecht enorme Verluste zu befürchten hatten. Am Himmel suchten Aufklärungsballons und später Flugzeuge den Boden nach gegnerischen Bereitstellungen ab. Die bunten Uniformen europäischer Armeen waren nicht länger praktisch und gehörten mit dem Ersten Weltkrieg der Vergangenheit an. Tarnung und Deckung entwickelten sich zur Lebensversicherung der Soldaten im Feld.
Ein Element der Tarnung war die Wahl der optimalen Tarnfarbe.

Die Rote Armee entwickelte 1941 eine eigene Rezeptur, um ihre Waffensysteme vor der militärischen Aufklärung des Gegners zu verbergen. Um die Herstellungsdauer ihrer Waffen kurz zu halten, verzichtete sie dabei auf das Aufbringen mehrfarbiger Tarnmuster. Ein einfarbiger Farbton sollte die Anwesenheit ihrer Waffen verschleiern. Die Wahl fiel auf einen gedeckten Grünton, um möglichst unerkannt in Wäldern, auf Wiesen und Feldern operieren zu können. Im Winter wurde gegebenenfalls Kalk aufgetragen, um die Sichtbarkeit in einer verschneiten Landschaft zu reduzieren.

Die Gedenkstätte Seelower Höhen zeigt seit den 1970er Jahren eine Auswahl jener militärischen Waffenmodelle, die auch in der Schlacht um die Seelower Höhen auf sowjetischer Seite zum Einsatz kamen (siehe Abbildung 2). Die zentral im Außengelände aufgestellten wuchtigen Exponate wirken auf viele Besucher anziehend. Die freie Bewitterung, insbesondere das Sonnenlicht, verfärbte den einstmals grünen Anstrich jedoch über die Jahre in ein mittlerweile sattes Kaffeebraun. Damit verlieren die Exponate ihre Glaubwürdigkeit und irritieren Besucher.

Doch was heißt hier eigentlich "glaubwürdig"? Welcher Farbton darf denn mit Fug und Recht als authentisch bezeichnet werden? Diese Fragestellung sollte die Mitarbeitenden der Gedenkstätte eine geraume Zeit beschäftigen, stand dieses Jahr doch die Entscheidung an, wie drei der ausgestellten Großgeräte restauriert werden sollten. Ein Teilziel der Maßnahme bestand darin, den im Zweiten Weltkrieg von der Roten Armee verwendeten Farbton anzumischen und aufzubringen.

Die Recherche ergab frühzeitig, dass die Rote Armee damals einen Farbton mit der Bezeichnung "4BO" verwendete. Doch die Ernüchterung folgte auf dem Fuß: 4BO wird seit vielen Jahren nicht mehr hergestellt, geschweige denn verkauft. Interessanterweise fand sich das 4BO zugrundeliegende Farbrezept im Netz. Darin heißt es: "Die Farbmischanweisungen von 1941 legen fest, dass das Schutzgrün 4BO eine Mischung aus 40–60 % Gelbocker, 15–20 % Zinkchromat, 10 % Ultramarin und 10–20 % Weiß war." Daraus ergibt sich bereits das grundlegende Problem, dass die Verwendung unterschiedlicher Mengen zu unterschiedlichen Resultaten führt.

Privatsammler mischten 4BO rezeptgetreu mit heutigen Farben an. Sie erzeugten allerdings einen stark gelbstichigen Grünton, der bestenfalls mäßig unauffällig wirkte. In der Fachliteratur ist nachzulesen, dass Forscher mithilfe originaler Überreste versuchten, die Farbe sowjetischer schwerer Waffen zu bestimmen. Als Ergebnis dieser Analyse wurden mehr als sieben verschiedene, auch visuell stark unterscheidbare, Grüntöne beschrieben (siehe Abbildung 3). Weiterhin wurde beobachtet, dass der Lack der untersuchten Metallsplitter im Laufe der Zeit abdunkelte.

Die Gedenkstätte Seelower Höhen ist deutschlandweit eine der wenigen, aber nicht die einzige Einrichtung, die sowjetische Militärtechnik bewahrt. Deshalb verschickten Mitarbeitende parallel Anfragen an namenhafte Häuser in Sachsen, Berlin und Niedersachsen, in der Hoffnung, dass hier Experten entscheidende Hinweise geben können, welcher Farbton der passendste für einen Neuanstrich sei. Die danach eingehenden Rückmeldungen waren allerdings eher ernüchternd. Jedes Haus operierte mit Individuallösungen, ohne dafür eine triftige Begründung mitzuteilen. Es zeichnete sich ab, dass es auf die Farbtonfrage keine eindeutige oder zumindest zufriedenstellende Antwort zu geben schien.

Es war dem Zufall geschuldet, dass kurze Zeit später noch eine belastbare und aussagekräftige Quelle ausfindig gemacht werden konnte. Im Telefonat mit der Firma, die 2005 die Militärgeräte der Gedenkstätte restauriert hatte, erfolgte der Hinweis, dass im Firmenarchiv noch ein Gutachten schlummert, das die Ergebnisse einer 2004 beauftragten Farbschichtuntersuchung der Seelower Großgeräte enthielt.
Dieses Gutachten legte die Einschätzung nahe, dass die Großgeräte seit ihrer Herstellung stets neue Schichten erhielten, indem die alten übermalt wurden. Das Alter der Schichten nahm damit von außen nach innen zu. Die unterste Schicht war mit einiger Wahrscheinlichkeit die Originalbeschichtung des Zweiten Weltkriegs (siehe Abbildung 4).

Für die Bestimmung dieses untersten Farbtons diente hierbei eine Probe von der Panzerwanne des hiesigen Kampfpanzers T-34s, die nach Auswertung der Herstellungsnummer nachweislich 1944 produziert wurde. Damit konnte die Recherche erfolgreich abgeschlossen werden. Dieser Grünton sollte nun die Referenz für alle weiteren Anstriche werden.
Heute präsentieren wir unseren Besuchern einige Großgeräte bereits in dem Farbton, den die gepanzerte Fahrzeuge und Artilleriegeschütze trugen, als sie zum Sturm auf die Seelower Höhen antraten. Wenn Sie sich zu diesem Thema mit uns in Verbindung setzen möchten, können Sie über die unten aufgeführte E-Mailadresse mit uns in Kontakt treten.

Verfasser: Alexander Apel

Bild 1: Bunte Uniformen, linienförmige Aufstellung. Das Schlachtengemälde "Schlacht bei Raszyn 1809", fertiggestellt 1913 (gemeinfrei)
Bild 2: Die im Bau befindliche Gedenkstätte 1972 (© Landkreis Märkisch-Oderland)
Bild 3: Links 4BO rezeptgetreu nachgemischt, rechts identifizierte Farbtöne originaler Überreste - Farbzuordnung gemäß Federal Standard 595 (eigene Zusammenstellung)
Bild 4: Links Lackproben. Rechts: Ergebnis der Farbschichtuntersuchung 2005 am Beispiel der "Stalinorgel" (© Landkreis Märkisch-Oderland)


Datum: 07.08.2025


Das Foto zeigt die im Bau befindliche Gedenkstätte auf den Seelower Höhen Vorplatz, das Museum und den Denkmalberg der Gedenkstätte. Die Vegetationsflächen sind noch kahl, der Platz ist noch nicht gepflastert.

Bild 2: Die Gedenkstätte im August 1972

Fünf Quadrate mit verschiedenen Grüntönen

Bild 3: Identifizierte Grüntöne

Beutel mit Lackproben und ein Befundprotokoll zur Farbschichtung des Geschosswerfers der Gedenkstätte

Bild 4: Lackproben und Farbschichtbefund



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